Oberklasse ohne Image
Ingolstadts Griff nach den Sternen: 1988 erscheint der Audi V8 D1, der erste echte Oberklasse-Audi. Aller Anfang ist schwer, auch jener von Audi. Erst der Nachfolger etabliert sich in der oberen Mercedes- und BMW-Liga. Herpa ist von Anfang an dabei und bringt den Audi V8 in Neuauflage mit BBS-Alus.
Es gibt Wege, die sind furchtbar lang und fraglich ist, ob diese Wege je zum Ziel führen. Audi hat auch einen solchen Weg beschritten, für einen sozialen Aufstieg. Der Weg ist lang, furchtbar lang. Audis Tradition: Automobilhistoriker zucken zurück. Hat Audi eine lange, eine Vorkriegstradition? Oder beginnt Audi vor 58 Jahren als besserer VW? Ja, es gibt einen Audi vor dem Krieg. Das liegt aber nur daran, dass ein gewisser August Horch, seines Zeichens Inhaber der gleichnamigen Automobilfirma, innerhalb jener entmachtet wird, weil er sie wirtschaftlich schlecht geführt hat (geniale Konstrukteure sind fast nie auch geniale Kaufleute). Er muss gehen, ist beleidigt, und gründet eine neue Firma. Wie soll sie heißen? Es gibt die nette Anekdote, wonach einflussreiche Herren bei Kaffee und Kuchen in der Wohnung von Horchs Mitstreiter Franz Fikentscher zusammen sitzen und beratschlagen. Fikentscher junior, ein Oberschüler, macht im selben Raum seine Latein-Hausaufgaben und hat den Gedankenblitz, den Namen Horch ins Lateinische zu übersetzen: Audi. Dieses Geschichtchen hat Charme und ist sympathisch (ob es tatsächlich stimmt, sei dahingestellt), aber jeder Kundige der deutschen Sprache wird einwenden: Audi als Befehlsform von „audire“ (hören) heißt „höre!“, aber es gibt eben einen gewaltigen Unterschied zwischen horchen und hören. Es sei! August Horch gründet Audi, Audi baut ab 1910 Autos, geht 1927 Bankrott, wird 1928 von DKW aufgekauft und 1934 der Auto Union in Chemnitz einverleibt (Auto Union = DKW, Wanderer, Horch und Audi) und geht mit ihr unter, als mit dem verlorenen Krieg sowieso alles untergeht.
Als Maskottchen verwenden die Audi-Werke ab 1924 die „1“ auf dem Kühler, ein verchromtes Manifest des Ehrgeizes, unter den deutschen Autos die Nummer Eins sein zu wollen. Bild: Archiv afs
Die erste Zwischenkriegsentwicklung ist der 14/50PS Typ K, ein überarbeiteter Audi Alpensieger, das erste deutsche Automobil mit Linkslenkung, präsentiert 1921. Mit seinem Aluminium-Motorblock mit eingepressten Laufbuchsen, Mittelschaltung und Vierradbremsen gehört er zu den modernsten Konstruktionen der Zeit. Zu seinen zahlreichen Innovationen gehört auch die vom Motor angetriebene Reifen-Luftpumpe mit Anschluss am Getriebe, was im Foto demonstriert wird. Der Typ K geriet zum Flop, denn er war zu teuer.
Der 14/50PS Typ K von 1921. Bild: Archiv afs
Neben dem innovativen Typ K werden die Vorkriegsmodelle bis weit in die 1920er Jahre hinein weitergebaut, so der Typ M 18/70 PS, hier als Pullman mit einem Aufbau von Gustav Winter in Zittau, Baujahr 1925. Bild: Archiv afs
Aus dem DKW wird der neue Audi: Neustart 1965
Anfang der 60er Jahre ist der stinkende und ölende Zweitaktmotor, seit jeher das Erkennungsmerkmal des DKW, am Ende seiner Reputation. Niemand will mehr einen DKW fahren. DKW ist ein Übernahmekandidat und Daimler-Benz greift zu. Für sie ist interessant, eine Marke zu haben, die unter dem eigentlichen Mercedes-Segment tätig ist. Die Idee damals ist also, Mercedes zum Vollsortimenter zu machen. Die Herren aus Stuttgart entsenden einen talentierten Motorenkonstrukteur zu DKW, der einen vernünftigen Viertakter bauen und damit dem DKW wieder auf die Räder verhelfen soll. Ludwig Kraus heißt er. Er tut es, aber er stößt auf Widerstand in der etablierten DKW-Hierarchie. Das nervt Daimler-Benz, Stuttgart will die widerspenstige Firma los werden. VW hatte Interesse. Nicht unbedingt an der Firma, aber an den Produktionsstandorten mit großem und gute ausgebildetem Mitarbeiterstamm. Also kauft VW den Stuttgartern DKW ab und startet einen Neuanfang. Mit dem neuen Viertaktmotor von Kraus, mit Ludwig Kraus selbst und mit dem neuen, alten Namen Audi, der quasi eine Mitgift ist. Der DKW F-102 bekommt den neuen Motor und ist ab 1965 der neue Audi.
Ein bisschen Karosserieretouche, eine neue Identifikation durch den Grill: Der erste Nachkriegs-Audi ist ein facegelifteter DKW F 102, doch unter seiner Haube arbeitet endlich ein moderner Viertakter. Dieser Wagen ist der Ahn aller moderner Audi. Bild: Archiv afs
Einen kleinen Passus in den Verträgen bastelt Daimler-Benz hinein: Audi dürfe niemals Fahrzeuge in derjenigen Klasse bauen, die Mercedes als eigenes Terrain ansieht, also Auto jenseits der 2-Liter-Marke. Wenn die Herren aus Untertürkheim gewusst, hätten, was sich unter VW-Regie aus Audi entwickeln würde, hätten sie ihnen DKW sicherlich niemals verkauft!
Das sind noch Zeiten, als der Meister einen weißen Kittel trägt und den Kunden beim Verlassen des Hofes verabschiedet. DKW F 102, gebaut von März 1964 bis März 1966. Mit einem neuen, vernünftigen Motor wird aus ihm der erste Audi nach dem Zweiten Weltkrieg. Bild: Archiv afs
Audi als Luxus-VW und der „Vorsprung durch Technik“
Unter VW-Ägide geht es Audi recht gut, und VW kauft kurz darauf auch noch NSU, wodurch Audi/NSU entsteht und man einen NSU Ro 80 plötzlich beim VW-Händler kaufen kann. Dieses wankelndes Erbstück ist so ziemlich das innovativste deutsche Auto der späten 1960er Jahre, aber zum VW/Audi-Konzern kommt es nur durch die Absorption der NSU-Werke. Aber weder der Verkäufer noch die Mechaniker kannten sich damit aus. Für Audi war der Ro 80 ein Kuckuckskind.
Plötzlich kann man einen Ro 80 beim Audi-Händler kaufen. Bild: Archiv Audi
Dadurch hat Audi nun die Rechte am Wankel-Motor, aber nutzt sie nie für die eigene Marke (verdient aber gut an Wankel-Lizenzen). Audi ist über die eigene Existenz glücklich, Fahrzeuge oberhalb der VW-Palette zu bauen, obendrein modernes Layout mit Frontmotor und Frontantrieb zu Zeiten, als beim VW noch ein Motor im Heck vor sich hin boxert. Doch Ludwig Kraus strebt nach Höherem. In Guerillamanier konstruiert er einen Wagen der ausgewachsenen Mittelklasse, ohne Einverständnis der Werkleitung.
Familienähnlichkeit: Der Audi 100 der zweiten Generation (vorne) ab 1976 orientiert sich am facegelifteten 80er von 1975. Bild: afs
Als das Auto fix und fertig ist, stellt er es seinem Chef vor. Kraus weiß: Entweder bekommt er ein wohlmeinendes Schulterklopfen oder seine Entlassungspapiere. Auf beides ist er vorbereitet. Ersteres trifft zu. Audi baut den Audi 100, der gleichzeitig 1968 mit dem Mercedes Strich-Achter erscheint und dessen Konkurrent ist. Zwei Generationen lang lebt der Audi 100 gut, der Audi 80 wird Nachfolger des ersten Audi (Typen Audi 60, 75 und Super 90), und die Marke etabliert sich als VW für Aufsteiger. Bis der Audi Quattro kommt, bis der Werbeslogan „Vorsprung durch Technik“ seine Berechtigung findet.
Weiße Autos sind vor 40 Jahren schon einmal in Mode: Das damalige Audi-Topmodell, der 200 5E von 1980, optisch ein aufgepeppter Audi 100, aber mit unerhört starkem Motor. Mit dem 200er klopft Audi, wenngleich zaghaft, in der gehobenen Mittelklasse an. Bild: afs
Der Quattro mischt die Szene auf
Der Audi Quattro mischt die Rallyeszene auf, der Vierradantrieb für Straßenfahrzeuge wird ab 1980 salonfähig. Was Audi vormacht, ahmt plötzlich die komplette Branche nach. Im Rallyesport sowieso, aber auch auf der Straße. Jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, hat plötzlich eine vierradgetriebene Version seines Topmodells im Programm, es gibt unterschiedliche Systeme, um die zweite Achse zuzuschalten, aber egal – Hauptsache Allrad. Diese Pionierleistung ändert das Image von Audi grundlegend. Aus dem Luxus-VW wird ein Technologieträger, aus dem etwas drögen Fronttriebler mit ansatzweisen VW-Allüren wird ein Wagen mit fortschrittlichem Renommee. Ein Audi wird als eigenständiges Fahrzeug wahrgenommen, längst nicht mehr als VW für Fortgeschrittene. Und dennoch: Trotz leichter Hubraumerhöhung auf 2,2 Liter, trotz innovativer Fünfzylindermotoren: Der Audi bleibt der Mittelklasse verhaftet, daran ändert auch ein Audi 200 nichts, denn der ist nur ein besonders fein ausgestatteter Audi 100.
Der Ur-Quattro ist gleichzeitig eine Art Ur-Knall. Er läutet eine neue Ära ein, im Motorsport wie auf Asphalt. Letztlich eine einfache Aussage: Ein Auto ohne vier angetriebene Räder ist nicht zu Ende konstruiert. Vier angetriebene Räder haben nur Vor-, aber keine Nachteile – abgesehen von der alten Weisheit, dass nicht kaputt gehen kann, was nicht vorhanden ist. Der Ur-Quattro von 1980 sorgt für die Emanzipation Audis von VW, für ein eigenständiges, progressives und sportliches Image und konnotiert die Marke mit dem Prinzip Quattro, also dem permanenten Allradantrieb für Straßenfahrzeuge. Der Audi Quattro ist eine Sensation. Das Foto von Februar 1981 zeigt einen frühen Quattro in Saturnmetallic Y4V (gab es nur im Modelljahr 1981) auf dem Händlerhof. Bild: afs
Der Audi als Parvenü
In diesem günstigen Fahrwasser, gepaart mit dem herrlichen Wirtschaftswachstum der 1980er Jahre, den wohl situierten Jahren der Kohl-Ära, in denen allen alles gelingt, setzt der Volkswagenkonzern zum Überholen an. Audi soll höher positioniert werden. Der Audi 100 wächst, wird zum Aerodynamik-Weltmeister, in jeder Audi-Modellreihe gibt es eine Quattro-Version, Audi ist in aller Munde. VW-Chef Carl Hahn sieht in der Marke Audi das Potenzial zum Aufstieg. Hahn will nach den Sternen greifen, will Mercedes und BMW angreifen. Hahn will Audi in deren Liga spielen lassen. So etwas geht nicht von jetzt auf nachher. Und während Hahns Regentschaft gelingt es auch nicht. Der Audi V8 mischt die Szene nicht auf. Aber er ist das wichtigste Puzzleteil auf dem Weg nach oben. Seine Nachfolger machen Mercedes und BMW das Leben schwer. Der V8 ist der Anfang, aber er ist ein Parvenü, ein Emporkömmling. Man realisiert ihn, man vergleicht ihn, man bewertet ihn, man stellt ihm gute Noten aus. Man kauft ihn auch, die Fortschrittlichen tuen es und die Parvenüs der Gesellschaft. Die Parvenüs kaufen ihr Parvenü-Auto. Es ist ein gutes Auto. Es ist ein rollender Chefsessel, aber ein Chefsessel ohne Image. Daran leidet der Wagen. Ein V8-Motor, und sei er noch so gut, macht aus einem Facelift-Audi-100 keinen Mercedes-S-Klasse-Angstgegner. Der V8 ist ein aufgeblasener Audi 100, ein Wadenbeißer in der Luxusklasse.
Der Oberklasse-Audi der ersten Generation, der V8 Typ D1, gebaut von Oktober 1988 bis Januar 1994. Trotz des Grills: Die Verwandtschaft zum Audi 100 ist und bleibt unübersehbar. Und genau das war die Achillesferse dieses Wagens. Bild: Audi
Audi muss einen eigenständigen Wagen in der großen Klasse konstruieren, um Mercedes und BMW tatsächlich herausfordern zu können. Das tut Audi – mit der nächsten Generation, dem Audi A8 D2. Mit diesem Wagen, und mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler, der sich darin chauffieren lässt, schafft Audi den Weg in die Oberklasse. Schröder sei Dank. Oder doch nicht? Bis heute haftet dem Audi A8 das Schröder-Image an: Einen Audi A8 fährt nicht der etablierte Wohlstand, ihn fährt der Emporkömmling. Eben einer wie Schröder. Bis heute ist ein Audi A8 für die Kern-Klientel einer S-Klasse oder eines Siebener-BMW keine Alternative. Ihn fährt nicht unbedingt der Arbeitgeber. Ihn fährt eher der Gewerkschaftsboss.
Er kommt schon bullig daher und flößt hinreichend Respekt ein. Aber eben nur hinreichend Respekt. Andere können das damals besser. Auszug aus dem französischsprachigen Prospekt. Bild: afs
Hausgemachte Startschwierigkeiten
Der V8-Motor wird nicht als solcher konstruiert. Er kommt als Golf-Motor zur Welt, die Maschine des VW Golf GTI 16V. Audi schraubt zwei solcher Motoren zusammen und kreiert daraus einen V8. Das ist zwar sehr grob und flapsig ausgedrückt, entspricht aber der konstruktiven Wahrheit. Eigentlich nicht schlimm, eher klug. Im Wirtschaftsdeutsch spricht man in diesem Zusammenhang von Synergieeffekten. Und doch ... genau das wird ruchbar, und schon das missfällt den eventuell umstiegswilligen Mercedes- und BMW-Kunden. Audi an sich ist schon unkonventionell für sie, aber dann noch ein doppelter Golfmotor, ach nee! Und dann noch dies: Hat ein Fahrer eines 380 SE oder eines 733i tatsächlich Lust, seinen Wagen in einem Autohaus zu kaufen, wo sich Kunden tummelten, die Golf-Fahrer waren und sich überlegten, einen Audi 80 zu kaufen? Wir sprechen von den 80er Jahren. Da hatte sozialer Stand noch eine andere Bedeutung als heute. Da trug man auch noch Krawatte. Das erwartete man als Mercedes- und BMW-Kunde vom Autoverkäufer ebenfalls. Aber VW/Audi-Verkäufer waren keine Krawattenträger, nicht mal Jackettträger. Sonst hätten sie einem Facharbeiter nie einen Audi 80 verkaufen können. Das nennt man Dilemma. Audi versäumte es, für den V8 abgetrennte Räume in den Autohäusern einzurichten mit speziell geschulten Verkäufern, die einen adäquaten Umgangston pflegten. Einen 80er verkauft man schlichtweg anders als einen V8. Aber Audi ließ alle Mitarbeiter auf alle Autos gleichermaßen los. Das war ein gewaltiger Organisationsfehler, gepaart mit Marketingfehlern. Die Audi-Werbung für den V8 sprach die normale Audi-Klientel an, aber nicht die gehobene Schicht. Als Audi das bemerkte, schuf man viel zu protzige Prospektmappen mit imitierter Ledermaserung im übertriebenen DIN-A-3-Format. Heute gesuchte Sammlerstücke, aber damals schmunzelte der Mercedes-Kunde darüber: Wer solche Protzprospekte verteilte, muss es ja sehr nötig haben... Audi hatte zu V8-Zeiten schlichtweg Schwierigkeiten, sich mit den Ansprüchen ihrer Kunden zu arrangieren. Audi lernte das: Beim Nachfolger, dem A8 D2, funktionierte es. Da gab es dann auch Audi-Zentren, in den keine Polo-Fahrer herumlümmelten.
Das hat schon Stil, das riecht nach Oberklasse, das sieht nach Oberklasse aus. In jeder Hinsicht schön und solide. Aber eben Audi. Nicht Mercedes und auch nicht BMW. Und schon gar nicht Jaguar. Der Audi V8 ist ein Parvenü. Auch im Innenraum Gardemaß: Der Audi 100 gehört zu den Größten seiner Klasse, weswegen der V8 die Grundkaroserie nahezu unverändert übernehmen kann. Ganz feine Ausstattung, viel Holz und Leder. Aber eben „nur“ der best ausstaffierte Audi 100. Bei der Farbauswahl ebenfalls alles sehr dezent. Feuerrot sucht man vergebens. Audi bemüht sich redlich, alles richtig zu machen auf einer automobilen Ebene, in der Ingolstadt gerade angekommen, aber schlichtweg noch nicht etabliert ist. Alle Bilder: Archiv afs
Der Audi V8: Oberklasse mit Allradantrieb
Von Herbst 1988 bis Frühjahr 1994 wird der Audi V8 D1 gebaut, 21.565 Exemplare. Technisch nahezu eine Neukonstruktion, aber stilistisch zu ähnlich dem Audi 100/200 C3, auf dessen Plattform er basiert. Tolle Ausstattung mit Leder, Klima und Vierstufenautomatik, dadurch aber teurer als die Grundmodelle der S-Klasse und des 7er, die geringer ausgestattet sind. Sein unbestrittener Vorteil ist der damals ebenso moderne wie modische Allradantrieb, im Prinzip gleich wie beim Audi Quattro. Letztlich ist dies der einzige Imagevorteil des Audi V8 gegenüber seinen Konkurrenten. Im Gegensatz zum Allradantrieb in Geländewagen, der manuell zugeschaltet werden muss, erledigt das im Audi eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung gemeinsam mit einem Torsen-Sperrdifferenzial an der Hinterachse. Motor: 3,6-Liter-V8 mit 250 PS, ab 1992 zusätzlich 4,2-Liter-V8 mit 280 PS. Ab 1990 gibt es für den 3,6-Liter auch ein Fünfgang-Schaltgetriebe, ab 1992 sogar Sechsgang. Aufwändiges Fahrwerk mit MacPherson-Federbeinen vorne und hinterer Doppelquerlenkerachse. Die Luxusausstattung ist manchen Kunden zu teuer, sodass Audi mit einer Basisausstattung reagiert und die Luxusversion in „Exclusiv“ umtauft. Der Unterhalt ist teuer, die Ersatzteilpreise sind schon zu Lebzeiten unanständig hoch.
Im Profil sieht man die Verlängerung am besten: Der „Lange Lulatsch“ von Puch aus Graz, Aufnahme Februar 1990 [1]. Mit der Langversion will Audi ins Big Business einsteigen. Es soll noch Jahre dauern, bis ein Bundeskanzler sich einen Audi aussuchen wird. Aber das höchste Audi-Management freute sich sicherlich auch über einen repräsentativen Dienstwagen mit viel hinterem Fußraum. Bilder: Audi [1] und Archiv afs [2-3]
Eine Sonderstellung nimmt der Audi V8 „lang“ ein, 50 Prozent teurer als der „normallange“ V8. Er wird bei Steyr-Daimler-Puch in Graz gebaut, eine Chauffeurlimousine in winziger Auflage (271 Exemplare). Ein Einzelstück bleibt der V8 Avant für die Ehefrau des Konzernvorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch, Carl Hahns Nachfolger. Generell bleib der Verkauf weit hinter den Erwartungen zurück, vor allem in den USA verkauft sich der Audi V8 richtiggehend kläglich. Aber Audi hat damals, in den frühen 1990er Jahren, in den USA überhaupt einen schlechten Stand.
Hierin lässt sich VW-Vorstandschef Carl Hahn chauffieren. Er forciert die internationale Expansion, steigt in China ein, schluckt Seat und Škoda. So manch wichtige Verhandlung wird wohl im Fond des langen Audi V8 geführt. Bild: Archiv afs
Win on Sunday, sell on Monday
Seit der Erfindung des Automobils gilt: Motorsporterfolge unterstützen die Verkaufszahlen. Audi will sich diese Weisheit zunutze machen und hat den V8 als Renner in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) auserkoren.
Devotionalien von der DTM-Saison 1991, das Rennen auf dem Norisring am 30. Juni. Wer so etwas aufhebt, hält seine Erinnerung wach. Foto: Reinhard Veit
Zweieinhalb Saisonen rennt der V8 und wiederholt auf der Rundstrecke die Vorgaben des Ur-Quattro auf der Rallyepiste: Meisterschaft in der Saison 1990 (Hans-Joachim Stuck) und 1991 (Frank Biela), und die Saison 1992 beendet Audi vorzeitig wegen Erfolglosigkeit, eines unzuverlässigen Evo-Motors und Einsprüchen neidiger Konkurrenten.
Die DTM-Saison 1991 verläuft gut. Audi ist stolz auf seine Jungs und lässt Hochglanzeinseiter drucken, durchaus als Poster zum Aufhängen geeignet: Frank Jelinski startete mit dem neuen Team des Audi-Zentrums Reutlingen, Frank Biela ebenfalls, und relativ schnell zeichnete sich ein Zweikampf zwischen ihm und Altmeister Hans-Joachim Stuck ab, der für das Team Schmidt Motorsport startet. Er schafft mit dem schweren Audi in dessen erster Saison 1990 die Meisterschaft, 1991 gewinnt sie Frank Biela. Aber beide Male gewinnt der Audi V8. Bilder: Archiv afs
Der Renner heißt Audi V8 Quattro DTM, ab 1991 wird er als Evo bezeichnet. Auf der Rundstrecke ist der Audi V8 seinen Mitbewerbern aus Stuttgart und München tatsächlich überlegen. Der Motor leistet anfangs 420, zuletzt 464 PS, Sechsgang-Schaltung, permanenter Allradantrieb.
Zwei Audi V8 Quattro DTM hintereinander. Vorne Walter Röhrl mit der # 46, hinter ihm Hans-Joachim Stuck (# 1), beide Autos vom Team SMS Schmidt Motorsport eingesetzt und unterwegs beim Flugplatzrennen Wunstorf am 9. Juni 1991. Bild: Archiv afs
Vorbereitet werden die Renn-V8 von Konrad Schmidt Motorsport (SMS), 1990 weitgehend Serienkarosserie, 1991 ziemlich verspoilert. In der ersten Saison fährt zunächst Hans-Joachim Stuck alleine, in der zweiten Halbzeit Unterstützung durch Walter Röhrl. 1991 tritt Audi mit vier SMS-V8 an, das Auto heißt nun V8 Evolution, neue Felgen, größere Spoiler, den Titel holt Frank Biela.
Blick in den Kofferraum des Renners von Hubert Haupt während der DTM-Saison 1991. Keine Koffer, dafür der Sicherheitstank, die Batterie und die Löschanlage - eben alles, was ein DTM-Auto vorne nicht braucht, man aber dennoch benötigt. Bild: Archiv afs
Weniger gut verläuft die Saison 1992, Motorschäden, mangelnde Zuverlässigkeit, ein Einspruch der Konkurrenz, die Kurbelwelle erweist sich als nicht zulässig. Audi gibt sich verschnupft, schmeißt den Bettel hin und verabschiedet sich mitten in der Saison aus der DTM. Danach engagiert sich Audi bei den Supertourenwagen mit dem Audi 80 B4.
Hans-Joachim Stuck hängt am Haken, Ausfall wegen Motorschadens bei der 1992er Auftaktveranstaltung der DTM in Zolder. Die Kurbelwelle des Audi V8 ist der Stein des Anstoßes, über den Audi im Reglement stolpert, Motorschäden tuen ein Übriges: Audi zieht sich vorzeitig aus der DTM-Saison 1992 zurück, der Audi V8 Quattro kommt danach nicht wieder zum Einsatz. Bild: Archiv afs
Von Anfang an dabei und niemals tot: Der Audi V8 von Herpa
Seit 1991 ist Herpa in Sachen Audi V8 tätig, anfangs ausschließlich in Metalliclackierung und somit mit einer 3000er-Nummer (3092, anthrazitmetallic). Die Nummer wechselt innerhalb des Herpa-Systems, es gibt immer wieder neue Farben während der 1990er Jahre.
Variationen eines Themas: Audi V8 von Herpa als DTM-Renner und als Straßenfahrzeug, Auflagen aus unterschiedlichen Epochen bis heute. Der Schwarze hat als Besonderheit ein H-Kennzeichen und erscheint 2018. Damit feiert Herpa seine eigenen Modelle, die seit 30 Jahren am Markt sind. Bild: afs
Dann macht sich der Herpa Audi V8 rar. 2008 kommt er nochmals in Rotmetallic und Schwarz, 2014 in Stahlblau und 2018 in Schwarz mit H-Kennzeichen. Damals gibt es eine kurzlebige Herpa-Serie mit Modellautos, die mit historischem („H“-) Kennzeichen fahren dürfen, weil sie 30 Jahre alt geworden sind. Der DTM-Audi, also der V8 Evo, erscheint bei Herpa 1991. Herpa machte die Werkswagen, auch die belgischen Rundstreckenrenner der Teams Belga und Humo. Im Folgejahr kommt dann der Audi V8 Evo 2, darunter auch wieder ein Belgier.
Die aktuelle Neuauflage des Audi V8. Nach wie vor eine gelungene und zeitgemäße Miniatur, wenngleich die Formwerkzeuge bereits 35 Jahre alt sind. Aufgewertet wird der Audi durch BBS-Alus. Die sind ihm als Herpa-Modell bisher noch nie vergönnt. Bild: Herpa
Text und Titelbild: Alexander Franc Storz
Weitere Informationen
Weiterführende Informationen gibt es im Buch von Bastian Preindl: „Audi V8. Neuer Stil in der Oberklasse“ (Edition Audi Tradition). Delius-Klasing-Verlag 2014, 192 Seiten. ISBN 978-3-7688-3752-1. Damaliger Neupreis 39,90 Euro, heute nur noch antiquarisch erhältlich. In 1:43 macht Schabak das damalige Audi-Industriemodell, noch ziemlich spielzeughaft mit zu öffnenden Türen und Hauben. Der DTM-V8 gehört zu den ersten Minichamps-Miniaturen in 1:43 überhaupt. Den zivilen Audi V8 in 1:43 brngt Minichamps, als er bereits ein Youngtimer ist, im Jahre 2008 und als Reedition unter dem Label Maxichamps anno 2020. Nach wie vor eine Perle des Modellbaus ist die Minichamps-Interpretation des DTM-Audi-V8 in 1:18, all open, herrliches Modell, heute unter Sammlern sehr gesucht und teuer.