Das Modellauto wird „geboren“


Als Herpa 1978 die ersten Modell-Pkw im exakten Modelleisenbahnmaßstab auf der Spielwarenmesse vorstellt, ist das ein Paukenschlag in der Szene. Dank der große Detailtreue sind die Modelle von Anfang an nicht nur Modellbahnzubehör, sondern auch Sammlerstücke.
Die ersten drei Lkw-Modelle von 1980.

Im exakten Maßstab 1:87 gibt es in den 1970er Jahren fast keine Modellfahrzeuge, so entsteht 1976 die Idee, hochwertige Modelle für die Modelleisenbahn anzubieten. Bereits zwei Jahre später werden die ersten fünf Pkw-Modelle auf der Spielwarenmesse in Nürnberg vorgestellt und sind auf Anhieb ein großer Erfolg, 1980 erscheinen die ersten drei Lkw-Modelle. Von Anfang an setzt Herpa auf Qualität und Detailtreue. Außenspiegel werden „angegossen“, Scheibenwischer und Innenrückspiegel in die Frontscheibe graviert. Damit entstehen bei Herpa zwei neue Abteilungen: Konstruktion und Formenbau. Herpa konstruiert Modelle und die eigenen Werkzeuge. Anfangs werden aufwendig Holzformen im Maßstab 1:10 angefertigt, mit einer Kopierfräse entstehen so die Spritzwerkzeuge für die Modelle im Maßstab 1:87. Übrigens: die ersten sechs Holzmodelle werden günstig von Schuco übernommen, danach entstehen eigene. Ab 1988 bekommt Herpa meist die Originaldaten der Fahrzeugindustrie, und mit CAD-Technologie entstehen seitdem die Modelle noch detaillierter. Haben die ersten Lkw noch rund 15 Teile, bestehen sie heute aus über 40. „Herpa hat in vielerlei Hinsicht Maßstäbe gesetzt“, erklärt Produktmanager Stefan Blank. „Erstmals gibt es Modelle in Metalliclackierungen, außerdem werden die Fahrzeuge aufwendig bedruckt und nicht nur beklebt. Kühlergrill und andere Chromteile sind Dank Prägetechnik auch im Modell verchromt.“

Ein Modell entsteht: Konstruktion, Formenbau und Prägerei.

Auf die Form kommt es an

Nach den ersten fünf Modellen werden die Formen zukünftig so konstruiert, dass man die Modelle nicht ultraschallverschweißen muss, sondern dass sie gesteckt werden. Das ist zwar teurer als kleben, aber so können Modellbauer diese zum Umlackieren einfach auseinandernehmen. Durch eine geschickte Auslegung der Formen mit verschiedenen Einsätzen können von einzelnen Fahrzeugen unterschiedliche Varianten wirtschaftlicher als Modell umgesetzt werden. Im Original gibt es von Lkw-Zugmaschinen schnell mal 14 Varianten und mehr. Zwar setzt Herpa auch nicht alle um, aber deutlich mehr als die Konkurrenz.

Nachdem die Form gespritzt ist, wird akribisch kontrolliert.

Die ersten Showtrucks

Zusammen mit Airbrush-Künstlern verwirklicht Herpa immer wieder auch originale Show-Trucks, von denen es selbstverständlich Modelle gibt. Peter Littger entwirft einen Airbrush-Lkw mit einem BMW, Computer, und Flugzeug als Motiv. „Das wird quasi der erste Showtruck von Herpa“, erzählt der ehemalige Produktmanager Matthias Wolff. „In der Folge entsteht dann die Idee, mit dem Airbrush-Künstler Walter Rosner einen Lkw zu kreieren. So entsteht der Monument-Truck.“ Auf diesem sind insgesamt 43 Zwerge zu sehen, übrigens zwei der Zwerge auf der Zugmaschine sind die beiden damaligen Geschäftsführer Claus und Dieter Wagener. In der Folge entsteht die Serie „Geschichte der Menschheit“ mit Rosner-Motiven. Insgesamt 15 unterschiedliche Lkw gibt es zu Themen, wie Kreuzzüge, Goldrausch, Wikinger, Weltmeere oder Raumfahrt. Der dritte Truck „Die sieben Weltwunder“ erscheint sogar dreimal, nachdem im Original die Zugmaschine getauscht wird. Die Modelle sind so aufwendig gestaltet, dass sie heute nicht mehr realisierbar wären, dadurch sind die damaligen Modelle noch heute sehr wertvoll.

[1] Der erste „Airbrush-Lkw“ von 2001.

[2] Der ehemalige Produktmanager Matthias Wolff im Herpa-Produktarchiv mit dem Monument-Truck.

[3] Der erste Show-Truck von Herpa...

[4] ... und von der anderen Seite

Das zweite Standbein: Industriemodelle

Von Anfang an sind Aufträge aus der Industrie ein wichtiges Standbein für die Produktion bei Herpa. Alle großen Autofirmen lassen Modelle von ihren Fahrzeugen anfertigen, anfangs werden diese verschenkt – später verkauft. 20.000 bis 30.000 Stück nimmt die Industrie oftmals ab, vom BMW 3er, Baureihe E36, gehen sogar insgesamt 180.000 Modelle an BMW und den Fachhandel – allein am ersten Tag werden 12.000 Stück ausgeliefert. In den 1990er Jahren gibt es so von einigen Pkw-Modellen 32.000 Stück – je 8.000 pro Farbe. Mit diesen großen Stückzahlen lassen sich die Kosten für Formen und Konstruktion besser komprimieren. Diese liegen heute bei einem Lkw-Modell im sechsstelligen, beim Pkw im hohen fünfstelligen Bereich.

Der BMW 3er, Baureihe E36

Immer weniger Pkw-Modelle

In den ersten Jahren ist die Industrie froh, wenn ihre Originalfahrzeug als Modell nachgebildet werden. Damals sind noch keine Lizenzen fällig, heute geht es nicht mehr ohne – Herpa produziert Modelle nur mit Genehmigung. Vielfach gibt es die gar nicht mehr von der Automobilindustrie, diese lässt sich oft von Lizenzagenturen vertreten, die natürlich einen möglichst hohen Betrag erwirtschaften wollen. Außerdem ziehen sich ab 2007 alle großen Automarken aus dem Maßstab 1:87 zurück und setzen eher auf 1:43 oder 1:18. Heute verzichten viele OEMs ganz auf den Umsatz mit den Modellautos. So erschreckend es klingt, oft wegen der eigenen Bürokratie im Unternehmen. Dadurch wird es in Zukunft immer schwieriger, Pkw-Modelle wirtschaftlich zu realisieren. Bezahlbar bleiben Modelle nur in hoher Stückzahl, etwa durch verschiedene Varianten, wie zum Beispiel als Einsatzfahrzeug oder als Taxi. Somit hat ein 6er BMW keine Chance mehr als Modell, genauso wie viele „Alltagsmodelle“ oder Kleinwagen. Hinzu kommt, dass viele Originalfahrzeuge innerhalb weniger Jahre ein Facelift bekommen, das heißt zusätzlich verringert sich die Laufzeit für ein Modell.

Die ersten Hightech-Baumaschinen

Ein weiteres Standbein für Herpa sind die sogenannten Speditionsmodelle. Die ersten Aufträge dafür kommen von Händlern, die gerne Fahrzeuge aus ihrer Region verkaufen wollen. Heute sind es die Speditionen selbst, die Modelle aus ihrem Fuhrpark anfertigen lassen. 2001 möchte Liebherr ein Radladermodell mit Herpa umsetzen. Es wird das erste Highlight im Baubereich. Planierraupe, Asphaltfräse oder Autokran – viele weitere Maschinen folgen.

Rund 400 Modelle im Jahr

Heute erscheinen sechs Mal im Jahr jeweils 60-70 neue Modelle. Übrigens: Das meistverkaufte Pkw-Modell ist eines der ersten überhaupt: die Ente von Citroen mit weit über ½ Million Exemplaren in den verschiedensten Variationen. Auch der Trabi erscheint in vielen Abwandlungen insgesamt in einer sehr großen Auflage. Die sogenannte „Sonnenkarawane“ ist der größte Einzelauftrag. Das ist eine Packung mit drei hellblauen Mercedes Kleintransportern. 300.000 Stück werden 1984 innerhalb von nur zwei Wochen versendet.

[1] Das meist produzierteste Modell: die Ente.

[2] In solchen Blisterverpackungen werden anfangs immer zehn Modelle an den Fachhändler ausgeliefert.

[3-4] Auch in großer Auflage erschienen: der Trabant.

[5] Die sogenannte „Sonnenkarawane“ mit drei Mercedes Kleintransportern von 1984 ist der größte Einzelauftrag.

Das Ende für Büsche und Bäume

Die Herstellung der ehemaligen Herpa-Produkte für den Landschaftsbau, wie Grasmatten und Streumaterial, wird 1983 nach Hong Kong verlagert. Die neue Produktionsstätte liegt im 11. Stock eines Hochhauses. Um die Maschinen dort hinauf zu bekommen, wird kurzerhand ein Stück Wand herausgeschlagen. Mit einem Autokran werden die Maschinen aus Deutschland dann in den 11. Stock gehievt. 1988 endet diese Produktlinie schließlich ganz. Noch bis 1996 werden die letzten Fotoartikel in Dietenhofen hergestellt, bevor auch diese Sparte eingestellt wird. Seitdem konzentriert sich Herpa nur noch auf die Produktion von Modellfahrzeugen.

Text: Mathias Neigenfind
Titelbild: Die ersten fünf Pkw-Modelle von 1978. 
Bilder: Herpa
Produktmanager Stefan Blank mit seinem Lieblingsmodell, dem Mini.