Im Auftrag der Energiewende
Am Küstenkanal im Südwesten Oldenburgs befindet sich der c-Port Saterland/Sedelsberg. Hier werden mehrfach im Jahr Transformatoren für die Energiewende per Schiff angeliefert und dann auf die umliegenden Umspannwerke und Trafostationen verteilt. Die weitere Reise wird dann meist von spezialisierten Transportunternehmen durchgeführt. Jens Hadel hat den Transport eines 236 Tonnen schweren Transformators in das Umspannwerk Garrel-Ost begleitet
Die stabile Kaimauer und großzügige Arbeitsflächen sind der perfekte Umschlagsort für ungewöhnliche Güter. Die Verladung erfolgt durch einen oder zwei leistungsstarke Autokrane. Das Team der Spedition Viktor Baumann hängt nach dem Landgang des 236 Tonnen schweren Transformators aus Bad Honnef tagsüber die Ladung zwischen die beiden Hälften der Kesselbrücke. Damit die Straßen nicht unter dem Gesamtgewicht leiden, darf die Achslast maximal 12 Tonnen betragen. Jeder der beiden Anhänger verfügt über 16 Achsen mit jeweils 8 Rädern. Dazu kommen die beiden MAN TGX 41.640 Zugmaschinen. Beim Fahrzeugbauer Toni Maurer sind insgesamt 3 Exemplare für Baumann mit einer angetriebenen Vorderachse bestückt worden, ausgerüstet für Gesamtzuglasten bis 500 Tonnen. Eine zieht das rund 87 Meter lange Gespann, während die zweite den hinteren Anhänger schiebt.
Mit den Augen eines Modellbauers
Im Gegensatz zu den üblichen Schwertransportfotos wird dieser Transport an mehreren entscheidenden Stellen mit einer Drohne fotografiert. Aus der Luft betrachtet erinnern viele Motive an bekannte Modelllandschaften. Allerdings zeigt sich auch, dass die Platzierung eines Modellschwertransports fast nie eng genug an den Fahrbahnkanten, Bäumen und anderen Hindernissen platziert werden kann. So lang und groß die Gespanne auch sind, so wendig und flexibel kann die Ladung über Leitplanken, Zäune und anderem hinwegschweben.
Schilder werden in Kurvenbereichen schnell demontiert und danach wieder aufgestellt. Allerdings darf die wichtige Beschilderung nicht lange fehlen, und für andere Verkehrsteilnehmer unklare Situationen erzeugen. Das Demontieren und Wiederaufstellen darf also erst direkt vor und hinterm Transport passieren. Hier lassen sich interessante Szenen mit der Vor- oder Nachhut gestalten, die alle Verkehrszeichen, Leitplanken und Lichtanlagen entfernen oder wieder in die Originalposition zurückbewegen.
Start in die Nacht
Im Emsland werden Schwertransporte nicht mehr von der Polizei begleitet. Hier übernehmen dies „Hilfspolizisten“, die für die Begleitung von Schwertransporten entsprechend ausgebildet sind. Unterstützt werden diese dabei von BF3-Fahrern. Pünktlich um 22:00 Uhr starten die Hilfspolizisten, um das erste, rund 1,5 Kilometer lange Teilstück der zweispurigen Friesoyther Straße für den Verkehr komplett zu sperren. Wenig später verlässt das lange Baumann-Gespann den c-Port Richtung Osten. Auf dem gesamten Streckenabschnitt gibt es keinerlei Straßenbeleuchtung. Auch der Kreuzungsbereich mit den Auf- und Abfahrten zur B72 ist komplett unbeleuchtet. Aus der Luft zeigt sich gut, dass das gesamte Gespann nicht nur die Trucks sondern die gesamte Umgebung taghell ausleuchtet. Für die Begleitcrew erleichtert die gute Sicht auf Ladung und mögliche Hindernisse das Einweisen und Vorwarnen der beiden Fahrer enorm. Hier muss im Normalfall niemand mit Taschenlampe in der Hand umherlaufen, um wirklich sicher zu sein, dass es keinen ungewollten Kontakt gibt.
Die erste Engstelle
Um auf die B72 zu gelangen, kann der Schwertransport nicht die für alle anderen Verkehrsteilnehmer übliche Route über die Brücke, und dann drunter durch nehmen. Das hohe Gesamtgewicht macht eine Überquerung der Brücke unmöglich. Darum sperren die begleitenden Hilfspolizisten für einige Zeit die beiden Fahrspuren Richtung Westen und die Ausfahrt. Wenig später biegt der ziehende MAN TGX 41.640 entgegen der ausgeschilderten Fahrtrichtung auf die Ausfahrt und nutzt diese als Auffahrt zur B72. Dabei schwenkt die Kesselbrücke samt Trafo weit in den tieferliegenden Kurveninnenraum. In ganz langsamer Geschwindigkeit geht es über Leitplanke, Büsche und Bäume schwebend in die schmale Verbindungsstraße. Immer wieder stoppt das Gespann, denn teilweise müssen mehrere Kollegen zusammen einzelne Bäume zur Seite drücken. Das alles geschieht ganz ruhig und unaufgeregt, man hat zusammen schon ganz andere Herausforderungen gemeistert. Der hintere Anhänger wird vom zweiten Vierachser geschoben und dabei von einem hinterher gehenden „Baumann“ mit einer Funkfernbedienung sicher auf die Auffahrt gesteuert. Inzwischen haben die Hilfspolizisten die Bundesstraße komplett gesperrt, damit das Gespann auf die beiden richtigen Fahrbahnen übersetzen kann. Dann folgen rund 3,9 Kilometer flotte Fahrt bis zur nächsten gemeinsamen Aufgabe.
Nicht drüberweg sondern unterdurch
In Friesoythe angekommen gibt es das nächste Brückenproblem. Obwohl die Route noch etliche Kilometer auf der B72 vorsieht, muss der Transport nahe dem Ortskern abfahren. Die für andere Verkehrsteilnehmer gesperrte Ausfahrt wird in gewohnter Art genommen. Danach geht es Richtung Unterführung. Vor der Brücke sausen die Begleiter um die Ladung und messen mehrfach den Abstand zur Asphaltdecke und die Höhe, denn hier kommt es auf jeden Zentimeter an. Bei 4,58 Meter Ladungshöhe gibt es nur wenig Spielraum, um auf die andere Seite zu gelangen. Als alles richtig justiert und ausgerichtet ist, rollt das Gespann langsam unter die Brücke. Kurz bevor der Transformator unter der B72 verschwindet, schauen alle Begleiter nochmals genau hin, ob die Abstände wirklich überall passen. Nach dem „OK“ geben die Fahrer der beiden Vierachser vorsichtig Gas und rollen sehr langsam unter die Brücke der B72. Als die Ladung in der Mitte angekommen ist, hält das Gespann, um alles neu auszurichten. Als normaler Autofahrer spürt man Verschränkungen der Fahrbahn und denkt sich nichts dabei. Wenn sich dabei der minimal verfügbare Abstand zur Decke verändert, sieht das anders aus. Das Gefühl kennt wohl jeder von engen Einfahrten in Parkhäusern, wo teilweise seitlich und oben scheinbar nur wenige Zentimeter über ungewollte Lackabschürfungen entscheiden.
Kontrolle während des Transports
Schon seit einiger Zeit sind Transformatoren und andere technische Großgeräte im Inneren mit Sensoren ausgestattet, die „Feindkontakt“ protokollieren. So werden Kontakte mit Hindernissen und deren Einwirkung auf die Beschleunigung aufgezeichnet. Der Grund ist ganz einfach, bei ungewolltem Kontakt werden die Beschleunigungskräfte aufgezeichnet, denn die Kühlleitungen oder andere technische Einrichtungen können Brechen oder ins Schwingen geraten und dabei Schaden nehmen. Sollte so während des Transports durch Bodenkontakt eine plötzliche Bremswirkung entstehen, könnte dies die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Am Zielort angekommen, werden diese Sensoren ausgelesen, um zu prüfen, ob wirklich alles perfekt gelaufen ist.
Zurück auf den Highway
Nach der Brücke geht es entgegen der üblichen Fahrtrichtung durch einen Kreisverkehr, der schon an der ersten Ausfahrt wieder verlassen wird. Während die Zugmaschine schon in die Auffahrt steuert, müssen die Begleiter nochmals genau hinschauen. Der Anstieg ist für den langen Räderwurm nicht ohne, denn die Kesselbrücke steigt ebenfalls und der Abstand zur Brücke wird enger. Durch die Anpassung des Höhenausgleichs passt auch hier alles. Dann geht es wieder auf die B72, einmal quer über alle Fahrbahnen und dann auf der doppelspurigen Piste weiter bis Varrelbusch. Hier werden die beiden MAN TGX 41.640 umgedreht und wieder an die beiden 16-Achser gekuppelt. Für die Ladung geht es nun in gegenläufiger Fahrtrichtung auf die letzten Kilometer. Schon in den Planungen sind die „Ladungsdrehungen“ eingeflossen, denn im Umspannwerk ist es nicht egal, welche Transformatorenseite wo steht. Die gesamten Zuleitungen sind beim Bau positioniert worden und können nicht einfach geändert werden. Wenn der Zieleinlauf nicht richtig erfolgt, muss der Trafo irgendwie gedreht werden und schon aufgrund des Gewichts geht hier die Idee „Vier Mann, vier Ecken“ nicht auf.
Ziel erreicht
Noch vor Sonnenaufgang ist das Umspannwerk Garrel / Ost erreicht und dank perfekter Planung ist das Absetzen und Einschieben in die Endposition des Transformators kein Problem. Nach der Befüllung mit dem als Kühlflüssigkeit eingesetzten Öl kann der Anschluss ans Stromnetz erfolgen. Bis dies soweit ist, werden die markanten Fahrzeuge aus dem Baumann-Fuhrpark aber schon längst nicht mehr vor Ort sein.
Text & Fotos:
Jens HadelZahlen, Daten, Fakten
• Zugmaschinen:
o 2 x MAN TGX 41.640 8x6/4 mit gekröpftem Rahmen damit der Motor zwischen die angetriebene Vorderachse und das höhergelegte Fahrerhaus passt.
o 2 von 3 Spezialumbauten für Baumann von Toni Maurer GmbH & Co KG in Türkheim
o Erlaubte Gesamtzuglast pro Zugmaschine: 500 Tonnen
o Bei zwei Zugfahrzeugen und einem Schubfahrzeug beträgt das erlaubte Gesamtzuggewicht 1.002 Tonnen
o Im Baumann-Fuhrpark seit Sommer 2019
o Inzwischen wurden weitere Exemplare für andere Unternehmen gebaut
• Anhänger: 2 x 16 Goldhofer-Achsen
o Vorne: 16 Achsen in Modulen zu 4 x 4 Achsen
o Hinten: 16 Achsen in Modulen zu 2 x 6 Achsen & 1 x 4 Achsen
• Kesselbrücke von Greiner mit höhenverstellbaren Ladungsaufnahmen
• Fahrstrecke von c-Port zum Umspannwerk Garrel-Ost ca. 35 Kilometer, Dauer ca. 4 Stunden
• Transformator Hersteller: Hitachi
o 236 Tonnen Leergewicht (am Einsatzort kommt eine Öl-Füllung zur Temperaturregulierung hinein)
o Abmessungen: 12,730 x 3,95 x 4,58 m (L x B x H)