Der „zweite“ Anfang von Herpa
Genaugenommen gibt es zwei Anfänge der Firma Herpa. Zum einen am 9. März 1949 die Gründung der „Firma Wilhelm Hergenröther – Fabrikation Nürnberger Qualitätsspielwaren“ mit dem angemeldeten Unternehmenszweck, Spielwaren und Gebrauchsgegenständen herzustellen. Er beginnt im zerstörten Nürnberg in Baracken mit seiner Produktion, die in den 1950er Jahren nach Beilngries ausgeweitet wird. Zum anderen gründet Fritz Wagener 1961 ein Kunststoffunternehmen in Nürnberg, dass später Herpa übernimmt und zu dem ausbaut, was das Unternehmen heute ist.
Fritz Wagener hat sich nach Kriegsende ein kleines Ingenieurbüro aufgebaut, mit Kontakt zur Fotoindustrie in Nürnberg. Nach kurzer Zeit wird er bei den Bolta-Werken festangestellt, erst als Konstruktionsleiter, später als Betriebsleiter. Durch diese Tätigkeit kommt er öfter nach Amerika, die in der Spritzgussverarbeitung bereits deutlich weiter entwickelt sind, als Deutschland. So kann er sein Know-how erweitern. Gedrängt von einigen Freunden, macht er sich in der Folge wieder selbstständig, erste Aufträge kommen vom Camerawerk Braun.
Es beginnt für die Fotoindustrie
Am 15. März 1961 meldet Ingenieur Fritz Wagener sein Unternehmen RIWA in Nürnberg an. Eigentlich soll das Unternehmen FRIWA heißen, ein Kunstwort aus den Anfangsbuchstaben vom Vor- und Nachnahmen Wageners, doch es gibt bereits ein Unternehmen für Friseurwaren mit diesem Namen. Ganz pragmatisch streicht Wagener den ersten Buchstaben, und so ist RIWA gegründet.
Die Gewerbekartei der Stadt Nürnberg von RIWA-Plastik Fritz Wagener.
Das Unternehmen beginnt mit der Produktion von Kunststoffteilen für die Fotoindustrie, etwa Diarähmchen, Zahnräder oder Lufträder für Ventilatoren. Der erste Produktionsstandort ist in einer ehemaligen Autowerkstatt in Nürnberg-Schweinau.
Die erste Maschine wird angeliefert.
Nichts ist vorhanden, alles muss angeschafft werden, vom Werkzeug über Maschinen, Büroeinrichtung und Verpackungsmaterial bis zu den Rohstoffen – mit nur 40.000 Mark Startkapital. Außerdem muss noch die Wasserleitung verstärkt werden, um die Maschinen kühlen zu können. Dafür wird der Weg kurzerhand selbst aufgegraben.
Bereits am 29. März startet die Produktion mit dem ersten Mitarbeiter und dem 15-jährigen Sohn Claus, der der erste und einzige Spritzer ist. Weitere Mitarbeiter werden per Schild am Firmengebäude gesucht, für Produktion, Lohnbuchhaltung, Abrechnung, Packerei, und als Einsteller. Der Chef ist vor allem für neue Aufträge verantwortlich.
In einer ehemaligen Autowerkstatt entsteht die neue Firma – mit Spritzerei und Büro.
Von Anfang an setzt Wagener auf eine hohe Qualität. „Die Eingangskontrollen der Fotoindustrie sind sehr hart“, erinnert er sich später in seiner Biografie. Braun platzierte immer weitere Aufträge, deshalb müssen weitere Spritzgussmaschinen angeschafft werden – die größte mit 160 Tonnen Schließkraft. Für mehr Platz kann die Rückwand des Firmengebäudes durchbrochen werden.
Qualitätskontrolle, Garten, Parkplatz und sanitäre Anlagen.
Der Standort wird zu klein
Die Produktion steigt kontinuierlich, die Produktionsstätte platzt aus allen Nähten. Irgendwann fühlen sich auch die Nachbarn durch die Nachtarbeit gestört. Eine Lösung muss her. Fritz Wagener sucht einen Produktionsstätte außerhalb von Nürnberg. Erst liebäugelt er mit Hersbruck, doch durch persönliche Kontakte findet er letztendlich das passende Grundstück und Mitarbeiter in Dietenhofen. Am 11. Mai 1964 beginnen die Planungen, bereits im September 1964 startet auf dem 40.000 qm großen Grundstück der Bau der 1.000 qm großen Halle.
Der Neubau in Dietenhofen wächst und wächst.
Schon am 12. Juli 1965 ist Richtfest, am 18. Oktober zieht das Unternehmen nach Dietenhofen. Nachts arbeiteten die Maschinen noch in Nürnberg, in der Frühschicht findet der Umzug statt, bereits in der Spätschicht läuft der größte Teil der Maschinen schon wieder in Dietenhofen. Zusätzliche Elektriker und Schlosser unterstützten bei der Inbetriebnahme. Ein ganzer Transportzug bringt alle Maschinen über die Landstraße nach Dietenhofen.
Die Maschinen werden in Nürnberg abgebaut und erreichen mit dem Schwertransport Dietenhofen, wo sie im Neubau wieder aufgestellt werden.
Parallel zum Neubau werden bereits neue Arbeitskräfte angelernt, eine Gruppe in einem anderen Unternehmen in Dietenhofen, eine weitere Gruppe wird mit dem RIWA-Personalbus zum Nürnberger Standort gefahren.
Das zweite Standbein
Als gut planender Unternehmer ist Fritz Wagener die Abhängigkeit von einem großen Kunden – rund 95 Prozent der Fotoprodukte werden für die Firma Braun hergestellt – zu gefährlich. Er sucht ein weiteres Standbein im Bereich Kunststoffspritztechnik, um unabhängiger zu werden. 1964 entsteht der Entschluss, Herpa zu übernehmen. Das Zubehör für Modelleisenbahnen ist für Wagener ein günstiges Fertigungsprogramm zu seinem eigenen Know-how. Ein Jahr später ist die Übernahme perfekt, und so wird in Dietenhofen unter dem Namen RIWA weiterhin Zubehör für die Fotoindustrie produziert, und unter dem Namen Herpa Zubehör für die Modelleisenbahn. In der Folge werden die weiteren Herpa-Standorte in Beilngries (Produktion) und Nürnberg (Verkauf und Versand) aufgelöst, übergangsweise sind im Saalbau Link in Dietenhofen provisorisch Lager und Versand untergebracht. Wilhelm Hergenröther arbeitet noch eine Zeitlang bei Herpa als Angestellter, bevor er das von ihm gegründete Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt. Im Mai 1969 wird Sohn Dieter Wagnerer kaufmännischer Leiter bei Herpa.
Fritz Wagener erweitert das Herpa-Programm, als erstes Unternehmen überhaupt stellt es ab 1967 Zubehör für elektrische Autorennbahnen her, wie Zuschauertribüne, Rennboxen, Absperrzäune, Figuren oder einen Zeitnehmerturm.
Ein Jahr später kommen Gebäudebausätze für die Modelleisenbahn im Maßstab 1:60 (Spurgröße N) hinzu – Berghotel, Bergkirche und Berghäuser sowie Lokschuppen oder Ausschmückungsteile. Bereits diese sind so detailliert, dass sich Herpa schnell einen guten Namen in der Branche erarbeitet.