Der erste echte
VW-Stromer
ID 3 nennt VW seinen Kompaktklasse-Stromer seit 2019, eine Art Elektro-Golf. Aber eben kein echter Elektro-Golf und somit ohne dessen Kultfaktor. Und nur sein Markenlogo verrät, dass es ein Volkswagen ist. Dennoch gebührt ihm ein Platz in der Autogeschichte, der erste VW, der ohne Verbrennerbasis als Elektroauto konzipiert wird. Herpa bereichert sein Programm aktueller Pkw mit diesem Volkswagen ID 3.
„ID“ heißt schon einmal einer. Ein Citroën, lang ist’s her. Heutige Marketingmanager bei VW, 30 Jahre alt, vielfältig berufserfahren, mit Auslandsjahr und stolz auf ihren Masterabschluss, dürfen ihn nicht mehr kennen. ID ist die einfachere Schwester der DS, zusammen mit der DS auf den Markt gekommen, aber 1969 in D Spécial und in D Super umbenannt. Es gibt also nicht bis zuletzt (1975) eine Citroën ID. ID und DS sind phonetische Grapheme, natürlich in französischer Sprache: DS spricht man aus wie „Déesse“, was „Göttin“ bedeutet, und ID erschließt sich von selbst, weil die französische „Idée“ sich von der deutschen „Idee“ nur durch einen Akzent unterscheidet und hier wie dort gleich ausgesprochen wird. Nun ist die DS tatsächlich ein göttliches Automobil und auch in der einfacheren ID stecken viele Ideen, was die Bezeichnungen zutreffen lassen.
Bei VW ist das alles viel profaner, viel technokratischer. Über Phonetik macht man sich dort keine Gedanken, höchstens darüber, welche „Motorgeräusche“ ein Computer in einem Elektroauto simulieren soll. ID bei Volkswagen ist eine bloße Abkürzung. Es steht für „Intelligentes Design“, was glücklicherweise durch Übersetzung ins Englische die gleichen Buchstaben trägt, nämlich „Intelligent Design“. Aber auch in Deutschland will Volkswagen, dass man „ID 3“ auf Englisch ausspricht, also Ai-Dieh Three“. Opel will das beim Adam auch und nannte ihn Äd’m – dabei heißt es, er sei nach dem Firmengründer Adam Opel benannt. Der sprach seinen eigenen Vornamen garantiert nicht „Äd’m“ aus. Auch der VW ID 3 ist ziemlich deutsch (wie der verblichene Opel Äd’m), er kommt aus den Werken Zwickau und Dresden. Egal: Herpa macht also keinen Volkswagen Ih-Deh Drei, sondern einen Volkswagen Ai-Dieh Three. Schön, dass wir das nun geklärt haben. Wir können das kleine Auto nun zeitgeistig so ansprechen, dass es uns versteht. Und „Ih-Deh Drei“ sagt nun nur noch der absolute Hinterwäldler.
Heißt auch Idée, hat aber nichts mit dem VW-Stromer zu tun: Citroën ID19 von 1964, seit 1982 in derselben, niederländischen Hand, Aufnahme 2013. Foto: Dennis Elzinga
Die 3 bezeichnet die Klassenzugehörigkeit
Die VW-Elektrofahrzeuge heißen alle ID, danach eine Zahl, welche die Klassenzugehörigkeit bezeichnet. Es gibt fünf Grundmodelle mit Variationen, die Typen ID 3, 4, 5 und 7 sowie den Bus ID Buzz. Der ID 3 ist der kleinste Elektro-VW und zugleich der erste als reines Elektroauto entwickelte Volkswagen, Premiere IAA 2019, und er bedient genau die Größenordnung des Golf.
Früher hat ein VW vorne einen Motor und vorne den Antrieb. Der ID 3 hat unten Batterien und hinten den Antrieb. Ja, der Elektro-VW ist ein Hecktriebler!
Der Designer aller ID-Modelle ist Klaus Zyciora, auch des nur in China erhältlichen ID 6, eines Mittelklasse-SUVs, und des ID Buggy Concept Cars. Seit Ende 2023 ist er nicht mehr VW-Designer, sondern arbeitet in gleicher Position für den chinesischen Autobauer Changan, der in Europa bislang noch unbekannt ist, aber noch dieses Jahr hier antreten möchte.
[1] Er hat den ID3 optisch zu verantworten: Klaus Bischoff, der VW-Chefdesigner, hier im ID. Roomzz, einer Studio auf der Auto Shanghai 2019...
[2] ...und er schwingt den Zeichenstift: Klaus Zyciora am ID Buzz in der Gläsernen Manufaktur in Dresden im März 2022.
Mit dem ID 3 startet Volkswagen ganz ordentlich, als die deutsche Bundesregierung (und im Ausland deren Regierungen) Batterieautos hoch subventionieren. Seitdem sie das aber nicht mehr tun, stagnieren die Verkaufszahlen und Volkswagen reagiert mit deutlichen Preissenkungen 2022. Dabei beginnt alles so hoffnungsfroh, und selbst die damalige Kanzlerin hält eine Rede: VW startet eine Offensive noch vor der offiziellen Präsentation, bei der sich Kunden bei 1.000 Euro Anzahlung einen von 30.000 Volkswagen ID 3 in besonders feiner Ausstattung reservieren lassen können, und noch vor dem IAA-Debüt sind diese 30.000 Sondermodelle namens ID 3 First tatsächlich verkauft.
Wo es Großes zu verkünden gibt, dürfen die Granden der Politik nicht fehlen. Damals ist Angela Merkel noch Bundeskanzlerin, und sie spricht kluge und optimistische Worte anlässlich des ID-3-Produktionsstarts.
Die Preise des ID 3 sind ursprünglich ziemlich hoch: 40.000 Euro für den ID 3 Pro, 46.000 Euro für den ID 3 Plus und knackige 50.000 Euro für den ID 3 Max (und dann gibt es noch als Basismodell den ID 3 Pure, eher für Flottenkäufer). Aber gleich am Anfangs geht es mit Pannen los: Die Autos werden mit unvollständiger Software ausgeliefert, VW muss die Kunden entschädigen, die später in die Werkstatt zu einem Update müssen. Und dann funktioniert die Klima-Wärmepumpe nur unzureichend (immer diese Wärmepumpen!), VW entschädigt auch hier die Kunden. Dann kommt die Halbleiterkrise 2021, die zu Produktionsausfällen führt. Und dann gibt es ab Ende 2023 die Förderprämie von der Bundesregierung nicht mehr. Auch hier muss VW, wie alle anderen Hersteller, reagieren und übernimmt quasi die Fördersumme – was im Endeffekt bedeutet, dass VW den ID 3 billiger anbietet.
Pressekonferenz Ende 2019 anlässlich des Produktionsstarts.
Nichtsdestotrotz: Bis 2023 produziert VW 366.695 Fahrzeuge, von denen 86.742 in Deutschland zugelassen werden. Das beste Jahr ist 2021, in den beiden Folgejahren kontinuierliche Zulassungsrückgänge. VW begegnet dem mit einer Modifikation Ende 2023, vor allem die Innenraummaterialien werden aufgewertet (zu 71 Prozent aus Rezyklat), auch ein bisschen Facelift für die Front und verbesserte Aerodynamik. Und VW reagiert auch noch dergestalt, dass die Produktion im Stammwerk Wolfsburg vom Tisch ist. Im März 2024 folgt dem Normalo-ID-3 seine Sportversion ID 3 GTX.
Stationen der Produktion in Zwickau. Ein Batterieauto entsteht.
Wer einen ID 3 kauft, will VW- und keine Tesla-Qualität
Wer den ID 3 fährt, sagt, er fahre gut. Er fahre eben, wie ein Elektroauto fahre. Knackig und agil, forsch, in guter, alter Golf-GTI-Manier, dabei abgeregelt bei 160 km/h Topspeed. Die Elektronik greife viel ein im normalen Fahrmodus, wenn der Pilot also „Gas gibt“ (Verzögerung vor Kreuzungen, Gefällen, Tempolimits), und wenn er den Fuß vom Pedal nimmt, schwimme der ID 3 so vor sich hin. Ein rein synthetisches Fahren also. Weil die Batterien im Unterboden positioniert sind (die Passagiere sitzen quasi darauf), sitzt man höher als im Golf, kann also bequem aus- und einsteigen (der Grund, warum Senioren die Vans so lieben), man kommt je nach Fahrweise rund 450 km weit. Das alles klingt gut und solide. Aber eine Zahl alleine rückt den „Erfolg“ des ID 3 zurecht: Die Kunden wollen Golf und nicht ID 3. Den 2023 in Deutschland neu zugelassenen 22.270 ID 3 stehen 81.117 fabrikneue Gölfe entgegen (und damals gibt es noch die staatliche Förderung für E-Autos!).
Mit dem Sondermodell First geht es los. Ihn kann nur bestellen, wer das Auto noch nie live gesehen hat. Denn die Bestellung erfolgt vor dem Produktionsanlauf.
Woran liegt das – mal abgesehen von der allgemeinen Elektroautoskepsis? Der ID 3 sieht nicht aus wie ein Volkswagen, er zitiert nichts, er knüpft an nichts an, was aus Wolfsburg kommt. Zyciora schafft ein beliebiges Design. VW verwendet vor allem im Innenraum ein billig wirkendes Plastik und orientiert sich hierbei an Tesla. Aber die Käufer gehen nicht mit. Wer einen VW will, will keinen Tesla (und umgekehrt) und erwartet VW-Qualität und nicht Tesla-Qualität.
So stellt man sich die idealisierte Tankstelle der Zukunft vor: 60er-Jahre-Architektur mit der Elektroinfrastruktur der Zukunft anstelle von Zapfsäulen, aus denen Sprit fließt.
Dann der Preis. Andere kalkulieren kundenfreundlicher, haben mehr Leistung oder mehr Extras. VW lässt sich die Wärmepumpe extra zahlen, die andere serienmäßig an Bord haben. Und obendrein gibt es die ursprüngliche 150-PS-Version nicht mehr, der ID 3 startet mit 204 PS. So viel braucht nicht jeder im Kompaktklassensegment. Obendrein hat auch die europäische Konkurrenz mittlerweile Elektromobile im Polo-Segment am Markt (Citroën e-C3, Renault 5), bei VW bleibt der ID 3 das Einstiegsmodell, der ID 2 erscheint frühestens 2025, und ob ein ID 1 im Up-Segment kommt, ist noch nicht einmal entschieden. Noch im Herbst 2023, nach etlichen übereinstimmenden Medienberichten, sieht sich VW zu einem Dementi genötigt: Der ID 3 werde nicht eingestellt.
So groß wie ein Golf, kommt von VW, sieht aber gar nicht golfig aus. Der ID 3 zielt auf die Golf-Klientel, versäumt aber, eine vertraute Verbindung zum Original herzustellen. Das dürfte sein größtes Manko sein.
In der Zukunft: Golf und ID 3 werden wohl verschmelzen
Mit der ID 3-Neuheit wird Herpa noch ein paar Jahre lang aktuell sein. Vor 2028 wird wohl kaum ein Nachfolger dieses ersten, echten VW-Elektroautos auf den Markt kommen. Und da wird sich dann wohl die Golf-Entwicklungsabteilung mit den Elektrikern in Wolfsburg zusammentun. Dann kommt sicherlich eine Art umfassender Elektro-Golf IX, der die Vorzüge beider Welten in sich vereint (was dem 2020 eingestellten e-Golf, der auf dem Verbrenner-Golf basiert, nicht gelingen konnte). Herpa hat also aufs richtige Pferd gesetzt, und außerdem hat Herpa eine lange Tradition in der Geschichte der VW-Kompaktklasse. Mit Ausnahme des Ur-Golf und der Gölfe V und VI sowie des aktuellen Golf VIII hat Herpa alle Golf-Generationen im Programm.
Der Golf GTI unter den Elektro-VWs: ID 3 GTX. Nicht 145, nicht 150, nicht 170 und nicht 204 PS, wie die normalen ID 3, sondern 286 PS und in der Performance-Version sogar deren 326.
Im ID 3 liegt für Herpa das Potenzial vieler (Farb-) Varianten. Alleine für das Modelljahr 2024 verzeichnet der ID-3-Konfigurator sieben Außenlacke: als Unilack Mondsteingrau mit schwarzem Dach, einfarbig Grenadillschwarzmetallic sowie fünf Metalliclacke mit schwarzem Dach. Es gab und gibt beständig Sondermodelle, ganz am Anfang den ID 3 First. Etliche Tuner bieten wilde Folierungen an. Die Hamburger Polizei beispielsweise hat drei ID 3 als Streifenwagen im Einsatz plus einen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. VW bietet unterschiedliche Räder an. Etliche Unternehmen nutzen einen ID 3 als Firmenwagen mit entsprechender Türbeschriftung oder gar firmenspezifischer Lackierung. Das sind solche, die tatsächlich eine Vorbildfunktion haben (oder zu haben meinen) und deshalb die Elektromobilität in ihrem Hause fördern, aber auch solche, die dem Trend folgen und sich mit einem ID 3 einen grünen Anstrich geben.
Die typische Camouflage-Verkleidung der Prototypen, die bereits auf die Straße darf.
Jedenfalls ist der ID 3 eine gute Tat im Herpa-Programm. Nicht nur, weil er ein VW ist und es etliche VW-Sammler gibt. Nicht nur, weil er die Herpa-Gölfe ergänzt. Nicht nur, weil es stets schön ist, wenn moderne Autos in 1:87 erscheinen. Nicht nur, weil Elektrofahrzeuge allgemein im Modellautosektor ein Schattendasein führen. Sondern auch, weil Herpa ihn macht.
[1] Herpa hat so manche Möglichkeit, den ID 3 weit über die offizielle Farbpalette hinaus zu kolorieren, wobei dieser Streifenheini die Druckkunst von Herpa sicherlich vor Herausforderungen stellen dürfte.
[2] Volkswagen macht einen auf Kultur: VW kooperierte 2022 mit den Veranstaltern der Documenta Fifteen, wie die 15. Ausgabe sinnigerweise heißt. Als VW seine ID 3 zur Verfügung stellt, freute sich die Szene auf unschuldige, zeitgenössische Kunst. Dass es zu einem entfesselten Eklat kommen soll, ahnte niemand. Der ID 3 trägt daran keine Schuld.
[3] Erneut die Documenta Fifteen: Der ID 3 als Car-Sharing-Fahrzeug für Gäste – lauter Ideen für Herpa-Farbvarianten.
Text: Alexander Franc Storz
Bilder ID 3: Volkswagen
Zahlen, Daten, Fakten
Volkswagen ID 3
Produktion: seit November 2019
Herstellung: in Zwickau und seit Januar 2021 in Dresden
Designer: Klaus Zyciora
Schwestermodell: seit September 2021 der Cupra Born, ebenfalls in Sachsen gebaut
Produktionszahlen: 363.695 Exemplare bis Ende 2023, dazu 86.702 Cupra Born. Gesamt also 450.397 Stück